Thiaminmangel (Vitamin-B1-Mangel) stellt einen der häufigsten und klinisch relevantesten Folgen einer Mangelernährung im Rahmen einer Alkoholkonsumstörung dar. Schätzungen zufolge liegt die Prävalenz eines Thiaminmangels bei Patient:innen mit Alkoholkonsumstörung zwischen 15 % und 80 %. Eine besonders schwerwiegende Folge des Thiaminmangels ist die Wernicke-Enzephalopathie, ein potenziell lebensbedrohliches neurologisches Zustandsbild charakterisiert durch Augenbewegungsstörungen, Ataxie und Verwirrtheit, wobei diese klassische Symptomtrias nur bei etwa 10 % der Betroffenen vollständig auftritt. Dies trägt wesentlich zu einer hohen Rate nicht erkannter Fälle bei7.
Eine kürzlich durchgeführte Analyse von mehr als 7 500 Patient:innen, die in einer Notaufnahme in den USA behandelt wurden, zeigte, dass nur 2,2 % aller Patient:innen mit einer alkoholbezogenen Diagnose (ICD-10: F10) und 17,8 % der explizit mit Alkoholkonsumstörung diagnostizierten Patient:innen eine Thiaminsubstitution erhielten8. Dieses Ergebnis verdeutlicht die erhebliche Diskrepanz zwischen der medizinischen Notwendigkeit einer Thiaminsubstitution und ihrer unzureichenden Umsetzung in der klinischen Praxis.