Thiamin (Vitamin B1) ist ein wasserlösliches Mitglied des Vitamin-B-Komplexes und zählt zu den essenziellen Mikronährstoffen, da der menschliche Organismus es nicht selbst synthetisieren kann. Eine kontinuierliche Zufuhr über die Nahrung ist daher erforderlich9. Unter normalen Bedingungen kann der Bedarf in der Regel durch eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden, sofern keine Risikofaktoren wie chronischer Alkoholkonsum oder ein Zustand nach bariatrischer Operation vorliegen. Bei erhöhtem Alkoholkonsum entwickelt sich aus mehreren Gründen ein Thiaminmangel: Erstens, wird in Situationen mit erhöhtem Alkoholkonsum oft keine ausgewogenen Ernährung konsumiert, (2) Thiamin wird im Darm nicht mehr ausreichend resorbiert (3) der Stoffwechsel der Thiamin in seine bioaktive Form umwandelt ist beeinträchtig.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt für Frauen (einschließlich schwangerer und stillender), Männer und Kinder eine tägliche Thiaminzufuhr von 0,1 mg pro Megajoule (MJ) aufgenommener Energie. Bei einem durchschnittlichen Energiebedarf von rund 2.400 Kilokalorien entspricht dies einer empfohlenen Tagesdosis von etwa 1,0 mg Thiamin10.
Zu den thiaminreichen Nahrungsquellen zählen Hefe, Fleisch – insbesondere Schweinefleisch – sowie Vollkornprodukte. Stark verarbeitete Getreideerzeugnisse, wie weißer Reis oder Weizenmehl, enthalten dagegen nur geringe Mengen Thiamin. Gleiches gilt für verarbeitete Obst- und Gemüseprodukte sowie Milchprodukte. Da Thiamin empfindlich gegenüber hohen Temperaturen und alkalischen Milieus ist, kann es durch Koch-, Back- oder industrielle Verarbeitungsprozesse inaktiviert werden10.
Physiologisch spielt Thiamin eine zentrale Rolle bei der zellulären Energiegewinnung, insbesondere in Geweben mit hohem Kohlenhydratstoffwechsel, wie Nervenzellen und Erythrozyten. Darüber hinaus ist es für energieintensive Prozesse wie die Synthese von Neurotransmittern, Nukleinsäuren und Myelin unverzichtbar11. Die bioaktive Form, Thiaminpyrophosphat (TPP), ist zudem essenziell für die Aufrechterhaltung der neuronalen Erregbarkeit und Signalübertragung12.
Die absolute Speicherkapazität für Thiamin ist beim Menschen deutlich geringer ist als bei Nagetieren oder anderen Tieren. Nach Onishi et al. (2018) reicht der körpereigene Thiaminvorrat lediglich für etwa 18 Tage13. Zudem liegen die TPP-Konzentrationen im menschlichen Gehirn selbst bei gesunden Individuen niedriger als in Tiergehirnen14, was die besondere Vulnerabilität des Menschen gegenüber Thiaminmangelzuständen unterstreicht.